Pilze sammeln – SGZ Wildnis

Hallo ihr Lieben,
ich habe mir vorgenommen, euch etwas mehr in mein Tun Hobbyautorin mitzunehmen. Deshalb möchte ich über diesen Weg auch einige meiner Texte mit euch teilen.

Des folgende Text ist gestern bei der wöchentlichen Übung „Schreiben gegen die Zeit“ im Schreib Forum entstanden. Dabei wird ein Wort vorgegeben, zu dem die Teilnehmer eine Stunde einen Text verfassen können. Das Wort dieser Woche war „Wildnis“. Wir waren zuvor auf der Autobahn im Stau gestanden, weshalb ich etliche Minuten damit verbracht habe, den nebligen Wald am Rand der Straße zu beobachten. Bereits im Auto wuchs in mir der Wunsch, etwas zu den neuen Eindrücken zu schreiben, da kam das Wort dieser Woche dann genau richtig.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. Lasst mich gerne wissen, ob ihr gerne mehr literarische Texte hier sehen wollt und wie ihr den Text findet! Bitte beachtet, dass dieser nicht überarbeitet ist. Seht mir Wortwiederholungen und andere Fehler also bitte nach.


Pilze sammeln

Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Das Laub knistert und raschelt mit jedem Schritt, den ich über den matschigen Waldweg zurücklege. Beim Ausatmen kräuselt sich eine kleine Dampfwolke vor mir in die Höhe und wird kurze Zeit später von der sanften Brise davongetragen. Mein Blick schweift nach oben zu den Bäumen, welche den Wegesrand säumen und wie Wächter auf mich herabblicken. Manche Kronen ragen kahl in den nebligen Abendhimmel und wirken, als seien sie direkt aus einer Szene eines Horrorfilms entsprungen. Andere erstrahlen jedoch in grellen Gelb-, Orange- oder Brauntönen und heben sich so deutlich von der fahlen Nebelwand ab. An einigen Zweigenden kann ich sogar noch hellgrüne Blätter erkennen, die den Jahreszeitenwechsel wohl zu spät bemerkt hatten.

Meine gelbe Regenjacke untermalt das Rascheln des Laubes mit einem hellen Quietschen, das mir hin und wieder eine Gänsehaut bereitet. Das Geräusch von aufeinander reibenden Plastik war noch nie etwas, das ich gut ertragen konnte. Mein Blick richtet sich gen Boden und ich erspähe eine braune Kappe, die sich zwischen den abgestorbenen Blättern versteckt.
»Na also«, flüstere ich und gehe vor dem kleinen Pilz in die Hocke. Ich wische mit einer Hand das umliegende Laub beiseite und hole mein Messer aus dem kleinen Korb, den ich neben mir abgestellt habe. Vorsichtig schneide ich den Pilz am unteren Ende des Stiels ab und mustere meine Beute zufrieden. Ich drücke mit einem Daumen gegen den gelblichen Schwamm an der Unterseite der Kappe und nicke zufrieden, als sich dieser binnen weniger Sekunden blau färbt. Danach lege ich ihn vorsichtig in das kleine Weidenkörbchen, packe das Messer dazu und richte mich stöhnend wieder auf.

Um mich herum herrscht absolute Stille. Selbst die sanfte Brise von vorhin ist nun verstummt. Das einzige Geräusch ist das Ein- und Ausatmen meiner selbst. »Gruselig.« Eine Gänsehaut breitet sich über meinen ganzen Körper aus und ich muss mich kräftig schütteln, um dieses einengende Gefühl der Einsamkeit abzuschütteln. Ich hebe den Korb auf und setze mich erneut in Bewegung. Doch außer meinen Schritten über dem weichen Waldboden höre ich nichts. Die hinter den dicken Nebelschwaden kaum erkennbare Sonne verschwindet nun langsam hinter den Bäumen und verleiht dem Wald eine noch bedrückendere Atmosphäre.
»Was habe ich mir nur dabei gedacht«, murmle ich kopfschüttelnd vor mich hin, »Ich sollte umkehren.« Erneut komme ich zum Stehen und schaue mich zunehmend beunruhigt um. Dann fällt mein Blick auf die bisher eher maue Ausbeute in meinem Korb. »Mit drei Pilzen kann ich nicht viel anfangen.« Ratlos stehe ich eine Weile da und versuche, auf dem braunen Boden weitere Speisepilze zu erkennen. Langsam breitet sich eine kriechende Kälte aus, die durch meine knallpinken Gummistiefel in meinen Körper dringt. Ich mache auf der Hacke kehrt und folge dem schmalen Weg zurück in die Richtung, aus der ich gekommen bin. »Das reicht mir für heute. Dann friere ich euch drei eben ein.«

Mittlerweile ist die Sonne gänzlich vom Horizont verschwunden und das Licht im Wald derart schummrig, dass ich mich anstrengen muss, um nicht vom Weg abzukommen. Ich greife nach meinem Handy in meiner rechten Gesäßtasche und schalte mit zittrigen Fingern die Taschenlampe ein. Diese wird von dem dichten Nebel jedoch sofort abgefangen und führt lediglich dazu, dass ich nun eine dicke, weiße Wand vor meiner Nase habe. »So ein Mist!« Ernüchtert schalte ich das Licht wieder aus, halte das Handy aber weiter fest umgriffen in meiner Hand. Ich entsperre es ein weiteres Mal und werfe einen Blick auf den Empfangsbalken. »Kein Netz, war ja klar.« Mittlerweile schlägt mein Herz mit festen Schlägen gegen meinen Brustkorb und ich kann hören, wie das Blut durch meine Ohren rauscht. Mein Atem beschleunigt sich derart, dass ich mir wie eine Dampflokomotive vorkomme.

»Müsste ich nicht bald am Auto sein?« Ein dünner Schweißfilm breitet sich auf meiner Stirn und meinen Handflächen aus. Ich bleibe ein weiteres Mal stehen und schaue mich panisch um. Vor mir schlängelt sich der dünne Weg wie eine Python über den Waldboden. Die dunklen Baumstämme rahmen diesen ein und wirken wie eine Begrenzung, die mich auf dem Waldweg halten soll. Durch die lichten Baumkronen kann ich bereits den vollen Mond erkennen, der minütlich an Helligkeit gewinnt, während die Welt um mich herum in Dunkelheit versinkt. Die Kälte hat sich nun gänzlich in mir ausgebreitet, sodass meine Zähne leise aufeinander klappern. Mein Handy habe ich so fest umgriffen, dass jegliches Blut aus meinen Fingern gewichen ist. Ich zwinge mich, erneut vorwärtszugehen, und beschleunige meine Schritte, bis ich in einen stechenden Laufschritt verfalle. Die Stille ist mittlerweile von den Rufen verschiedenster Tiere abgelöst worden, die mich aus der Dunkelheit verspotten. Tränen steigen in mir auf und lassen den dunklen, nebligen Weg zu einer gräulichen Masse verschwimmen. Ich wische mir mit dem Handrücken über die Wangen und bemerke plötzlich einen Widerstand vor meinem rechten Fuß. Ehe ich reagieren kann, falle ich zu Boden und kann mich geradeso mit den Händen abfangen. Dabei lasse ich den Korb los, welcher neben mir umfällt und davonrollt. »Scheiße!«, rufe ich mit bebender Stimme. Meine Hände pochen und ich bemerke, dass sich mein rechtes Knie seltsam kalt und feucht anfühlt. Nachdem ich mich keuchend aufgerichtet habe, fällt mein Blick sofort auf die zerrissene Hose. Ich fasse vorsichtig mit einem Finger auf das Knie und presse die Lippen zischend zusammen. »Aua!« Als ich die Hand zurückziehe, sehe ich, wie Blut von der Fingerspitze auf den Laubboden tropft. »Auch das noch. Das kann doch nicht wahr sein!« Ich humple auf den Korb zu und habe diesen auf, ohne dem verstreuten Inhalt Beachtung zu schenken. Jetzt will ich nur noch eins: Raus aus diesem verfluchten Wald!

Etwas gebremst durch mein blutendes Knie hechte ich weiter durch den mittlerweile komplett finsteren Wald. Am Horizont kann ich jedoch das Licht der Straßenlaternen erkennen. Es kann nicht mehr weit sein! Mit letzter Kraft kämpfe ich mich die letzten Meter entlang und atme erleichtert aus, als ich den letzten Baum hinter mir lasse und meinen kleinen Mini Cooper erblicke. »Was ein Glück!«, stöhne ich und taste nach dem Autoschlüssel. Doch dort, wo sich sonst die Hose ausbeulte, erwartet mich nur gähnende Leere.
»Nein. Nein, nein, nein, das kann nicht sein!« Die Panik hat nun vollends von mir Besitz ergriffen und meine Gedanken rasen. Habe ich etwa meinen Schlüssel beim Sturz verloren? Wo ist eigentlich mein Handy hin?
»Suchst du das?«, höre ich plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir sagen. Ich drehe langsam meinen Kopf und bereite mich mental schon auf mein Ende vor, als ich vor mir einen Mann in Tarnkleidung erblicke. Er hat ein Gewehr geschultert und sieht mich aus finsteren Augen an. In einer Hand präsentiert er mein Handy, in der anderen den Autoschlüssel, an dem mein geliebtes Labubu baumelt. »Ja, das sind meine Sachen«, entgegne ich schluchzend. Der Fremde geht gähnend langsam ein paar Schritte auf mich zu und…


…streckt mir lächelnd meine Sachen entgegen. »Pass beim nächsten Mal besser auf. Ein Wald ist nachts kein sicherer Ort für einsame Abenteuer.« Ich nicke schluchzend und nehme mit zittrigen Fingern mein Handy und den Schlüssel entgegen. »Dein Knie sieht nicht gut aus. Ich habe Verbandszeug in meinem Jeep. Soll ich es dir kurz verbinden?« Ich senke meinen Blick erneut und zucke zusammen, als ich meine blutige Jeans erblicke. Dennoch schüttle ich den Kopf und sperre mein Auto auf.
»Danke, aber ich kümmere mich zuhause drum!« Mit zitternden Händen steig ich ins Auto und drehe den Schlüssel im Schloss um. »Nichts wie weg hier«, murmel ich leise vor mich hin und drücke den Knopf der Zentralverriegelung.

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