Mein Marathondebüt beim Haspa Marathon Hamburg 2024

Ich schwamm inmitten einer farbenfrohen, in Funktionskleidung gehüllten Masse in Richtung Startblock. Die Atmosphäre war erfüllt von einem Mix aus freudiger Aufregung und Anspannung. Laute Musik und die Ansagen des Moderators hallten über das Getümmel.

Noch 30 Minuten bis zum Start. Wir machten noch schnell ein Foto an der Startlinie und widmeten uns dann der Hauptbeschäftigung vor jedem Wettkampf: Dem in der Dixi-Schlange stehen. 10 Minuten vor dem Fallen des Startschusses reihte ich mich in den Startblock ein. Wenige Meter hinter mir erspähe ich zwei Zeitläufer, die Fahnen mit der Zeit „vier Stunden“ am Rücken befestigt hatten. Ob ich es schaffen würde, die ganzen 42,2 Kilometer vor ihnen zu bleiben?

Dann ging es endlich los. Die Masse an Läuferinnen und Läufern setzte sich in Bewegung. Nun gab kein zurück mehr. Es dauerte einige Minuten, ehe sich das dicht gedrängte Feld entzerrte und wir langsam Fahrt aufnehmen konnten. Während wir über die Reeperbahn liefen merke ich, dass die Wärme eine Herausforderung darstellen könnte. Ich war froh darüber, dass ich einen Liter Wasser in meinem Rucksack dabei hatte und so bereits vor der ersten Verpflegungsstation nach Belieben trinken konnte.

Die Kilometer verflogen und wir näherten uns den Landungsbrücken. 11 Kilometer waren geschafft und ich fühlte mich gut. Seit Kilometer fünf gab es nun alle 2,5 Kilometer eine Verpflegungsstation, welche ich jedes Mal nutzte, um mich abzukühlen und teilweise meine Flaschen wieder aufzufüllen. Mein Freund wartete an mehreren Stellen an der Strecke auf mich und ich freute mich, ihn dort das erste Mal in der Masse zu erspähen. Für ihn war es garantiert nicht einfach gewesen, mich in der bunten Masse zu erkennen, doch ihm gelang es, im Gegensatz zu mir, jedes Mal.

Kurze Zeit später passierten mich schließlich die beiden vier Stunden Läufer. Zu diesem Zeitpunkt war mir jedoch schon klar, dass ich bei den Temperaturen das Tempo nicht über die volle Marathondistanz aufrecht erhalten konnte. Ich ließ also abreißen und nahm mir weiter an allen VP’s Zeit zum Abkühlen. Neben dem Trinken klappte auch die Nahrungsaufnahme überraschend gut. Meine übliche Strategie bestand daraus, alle 30 Minuten einen Riegel und dann innerhalb der nächsten 30 Minuten ein Gel zu mir zu nehmen. Doch während dieses Laufs bekam ich oft bereits nach 15 Minuten wieder Hunger. Da ich mir nicht sicher war, wie lange dieser Zustand halten würde, folgte ich meinem Körper und aß, wann immer mir danach war.

Nach knapp 2 Stunden und 5 Minuten fiel schließlich die Halbmarathonmarke. Halbzeit. Endlich. Ab diesem Zeitpunkt sah ich deutlich, wie etliche Teilnehmer:innen an ihre mentale Grenze kamen. Viele begannen zu gehen und die Anzahl an Sanitätereinsätzen an der Strecke häufte sich zunehmend.

Bei Kilometer 25 kam dann etwas, womit ich an dieser Stelle nicht gerechnet hätte: Das Runners-High! Plötzlich fühlten sich die müden Beine wieder munter an und ich kam mir vor, als würde ich einen gemütlichen Longrun absolvieren. Ich nahm diese unerwarteten Hochgefühle dankbar an und war erleichtert, dass sie mich erst bei Kilometer 30 wieder verließen.

Nun begann auch bei mir langsam der mentale Kampf um die letzten 12 Kilometer. Ich war nun seit etwas mehr als drei Stunden unterwegs. Die Verpflegung klappte weiter gut, doch nach der Euphorie der letzten fünf Kilometer folgten nun immer schwerer werdende Beine, die ein lockeres Weiterlaufen unmöglich machten. Von nun an hangelte ich mich mental von VP zu VP und erlaubte mir nur dort aus dem Laufschritt ins Gehen zu wechseln. Diese Strategie klappte die nächsten acht Kilometer ziemlich gut, doch dann merkte ich, dass die Energie, welche ich zum Wiederanlaufen benötigte, immer weiter anstieg. Das bedeutete einen Planwechsel: Keine Gehpausen mehr an den VP’s für die letzten vier Kilometer. Meine Beine waren mittlerweile tonnenschwer geworden und ich sah immer mehr Teilnehmer:innen krampfend am Streckenrand oder langsam gehend. „Wenigstens kann ich noch laufen“, dachte ich und zwang mich weiter vorwärts.

Wenig später begann meine linke Socke damit, mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Diese hatte sich unter meiner Fußsohle zu einem Wulst aufgerollt und rieb mir jene wund. Ich versuchte die Schmerzen zu ignorieren, was mir bis Kilometer 40 mehr oder weniger erfolgreich gelang. Dort wurden die Schmerzen allerdings so unerträglich, dass ich mich zum Stehenbleiben gezwungen sah und an einen LKW gelehnt meinen Schuh auszog. Meine Beine waren mittlerweile gut übersäuert und es fühlte sich an, als würde eine falsche Bewegung ausreichen, um eine unangenehme Krampfwelle auszulösen.

Nach dem Sockenkorrigieren setzte ich mich ein letztes Mal in Bewegung und kämpfte mich weiter Richtung Ziellinie. Als ich den Zielbereich dann endlich erahnen konnte, schossen mir plötzlich Tränen in die Augen. Auch wenn es mir relativ gut ging, war ich dennoch froh zu wissen, dass ich es bald geschafft hatte.

Diese Rührung wurde jäh von einem unerwarteten Bild unterbrochen. Ein Läufer lag am Streckenrand am Boden, über ihm kniete eine Person, die ihm eine Mund-zu-Mund-Beatmung zu geben schien. Wenige Sekunden später rannte eine Sanitäterin auf den Läufer zu. Mir gefror das Blut in meinen Adern. Im Laufe der Strecke hatte ich so häufig wie nie zuvor gesehen, wie Läufer:innen medizinisch versorgt werden mussten. Erst jetzt wurde mir klar, dass wir hier gemeinsam etwas taten, was viele an und über den Rand ihrer Belastbarkeit brachte. Zu diesem Zeitpunkt war ich einfach nur dankbar, dass mein Körper diese Strapazen mitmachte und ich noch weit weg von dieser Grenze zu sein schien.

Nach dieser Schreckensszene bog ich endlich auf die Zielgerade und überquerte breit grinsend die Ziellinie. Ich hatte es geschafft und meinen ersten Marathon erfolgreich absolviert. 4 Stunden, 22 Minuten und 47 Sekunden hatte es gedauert bis zu diesem Moment. Nicht zu vergessen die Wochen und Monate an Vorbereitung, die sich nun endlich ausgezahlt hatten.

Das war er also, mein erster Marathon. Auch wenn ich die angestrebte Zielzeit nicht geschafft habe, bin ich dennoch zufrieden mit dem Ergebnis und freue mich schon auf das nächste Mal. Allerdings wird der nächste Marathon diesmal nicht auf der Straße, sondern auf den Trails stattfinden! Falls ihr euch für die Vorbereitung auf dieses Projekt interessiert, folgt mir gerne hier und auf Instagram!

Was war mein größtes Learning aus diesem Lauf?

So simpel es klingt: Höre auf deinen Körper.

Ich bin mir sicher, dass dieser Lauf völlig anders verlaufen wäre, wenn ich an meinen vorab zurechtgelegten Plänen und Strategien festgehallten hätte. Am Ende ist für mich immer das Erlebnis im Vordergrund und nicht die Leistung, ich bin schließlich eine Hobbyläuferin und keine Profiathletin.

Vielleicht helfen euch meine Erfahrungen ja bei eurem ersten Marathon. Lasst es mich gerne wissen, falls ihr noch Fragen habt!

Alles auf eine Karte – Und dann?

Das Mindset „Alles oder Nichts“ gehört zum Sport wie das Amen zur Kirche. Zahllose Bilder von blutenden, im Ziel kollabierenden oder sich übergebenden Sportlern sind Zeichen dafür, dass diese Einstellung bis heute fest verankert ist.

Dazu kommen noch tausende Sprüche, die ihre Verwendung in Hashtags, Beiträgen und auf T-Shirts finden. „Go Hard or Go Home, No Pain No Gain“ sind nur wenige Beispiele dieser kämpferischen Ansagen, die wie Mantras kontinuierlich wiederholt werden.

Muss Sport immer am und über dem Limit stattfinden?

Die Antwort auf diese Frage ist relativ simpel: NEIN. Sport ist in erster Linie das, was du daraus machst. Das heißt kurz gesagt: Wenn du ambitioniert bist und hart für deine Ziele trainieren willst, kannst du das natürlich tun, du musst aber nicht. Es ist auch völlig in Ordnung, falls du selten oder gar nicht an deine Grenzen gehst. Das Wichtigste ist, dass du Spaß dabei hast und gesund bleibst!

Für Profisportler mag das anders sein, aber selbst die Elite fällt nicht nach jedem Lauf bewusstlos um oder übergibt sich im Ziel. Hier machen vor allem die Umfänge und die Art der Trainingseinheiten den Unterschied.

Solltest du also permanent mit körperlichen Problemen zu kämpfen haben, gehört das nicht zum Sport dazu, sondern sollte vielmehr zum Anlass genommen werden dein Trainingspensum und alles drum herum genauer unter die Lupe zunehmen.

Was wenn ich scheitere?

Während körperliches Leid im Zuge eines Erfolges durch epische Posts und Reels zelebriert wird, kehrt sich das Ganze im Falle eines „DNFs“ (Did not Finish) recht schnell um. Hier wird mit der Bekanntgabe schon eher zaghaft umgegangen, denn: Wer will schon zugeben gescheitert zu sein und wichtiger – Wer will auf Social Media dabei zusehen?

Für mich waren es immer die Momente des „Versagens“, aus denen ich im Nachhinein am meisten lernen konnte. Daher denke ich, dass wir auf Social Media davon profitieren würden, wenn mit den Gründen des „Scheiterns“ offener umgegangen werden würde. Bei mir sind diese Momente zwar nie in einem DNF geendet (bis jetzt), dennoch musste ich schon häufiger Wettkämpfe kurzfristig absagen oder die Distanz verringern, weil ich es sonst vermutlich nicht ins Ziel geschafft oder meine Gesundheit riskiert hätte.

Meiner Meinung nach erfordert es deutlich mehr Mut, sich einzugestehen, etwas nicht leisten zu können, als „einfach“ weiter durchzuziehen. Lass dich nicht demotivieren, falls ein Training oder Wettkampf Mal nicht so läuft, wie du es dir vorgestellt hast!


Gibt es noch etwas, dass du zu dem Thema wissen willst? Dann schreib es in die Kommentare!

Run & Write – Wie passt das zusammen?

Was könnte dich hier wohl erwarten? Ein weiterer Blog, bei dem jemand möglichst geschwollen einfache Sachverhalte darstellen, und damit die vermeintlich einfachen Geister der Lesenden erhellen möchte? Oder werden hier angeblich lebensverändernde Tipps geteilt, die man »ganz einfach« in den Alltag implementieren und so zu einem besseren Menschen werden kann?

Ich möchte hier gleich entwarnen: Nichts von den oben genannten Dingen wirst du hier finden. Vielmehr möchte ich hier meine Erfahrungen mit dir teilen in der Hoffnung, dass du vielleicht sogar etwas für dich mitnehmen kannst. Des Weiteren soll es aber auch um die Kunst des Schreibens gehen oder vielmehr darum, wie diese von der monotonen Bewegung des Laufsports profitieren kann.


Meine größte Inspiration ist die schöne Einfachheit, die uns tagtäglich auf unseren Laufrunden begleitet. Nirgends sonst kann ich meine Gedanken derart schweifen lassen und einfach im Moment verweilen. So kommt es, dass mich in diesen Momenten der Monotonie die Kreativität überfällt und ich beinahe ständig anhalten möchte, um die Vielzahl an Ideen und Gedankenspielen niederzuschreiben. Und da der Notizzettel immer voller wird, will ich dich hier an allem teilhaben lassen, dass mich am und ums Laufen inspiriert.

Ich hoffe sehr, dass du von meinen Erzählungen etwas für dich mitnehmen kannst, und freue mich schon auf deine Rückmeldungen!