Ende in Sicht?

Mittlerweile befinden wir uns in Woche 9 nach dem Unfall beim Gletscher Trail in Obergurgl. 9 Wochen voller Aufs und Abs. Wochenlanges Rumliegen. Kühlen. Das erste Mal laufen auf Krücken. Der Wechsel von der starren Schiene auf die Orthese. Plötzlich die alte Freiheit wieder spüren durch Spaziergänge. Anfangs Kleine, dann immer größere.
Wie geht es weiter? Ist denn endlich ein Ende in Sicht?

Gehen ist das neue Laufen

Die letzten Wochen habe ich beinahe täglich einen Spaziergang an der frischen Luft absolviert. Ich habe die Distanzen immer weiter gesteigert, bis ich nun bei einem Maximum von fünf Kilometern angekommen bin. Es kommt mir surreal vor, dass ich vor fast zwei Wochen nach etwas mehr als einem Kilometer umdrehen musste, und jetzt bereits solche Strecken schrubben kann.

Ab und zu kommt dann aber beim etwas schnelleren Gehen das Bedürfnis zu laufen hoch. Das schiebe ich im Moment natürlich beiseite, allerdings frage ich mich durchaus häufiger, wie wohl das erste Mal im Laufschritt sein wird. Werde ich Schmerzen haben? Wird es sich wacklig anfühlen?
Ich werde es in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft herausfinden.

Neue Freiheiten

Nach dem Termin beim Physio heute Morgen, durften wir endlich die Orthese auf 90 Grad stellen. Ein letztes Mal die Winkelplatten tauschen. Verrückt, wie schnell dieser Zeitpunkt jetzt doch da war. Und in zwei Wochen kann die Orthese dann ganz weg!

Zudem gibt es noch eine große Neuigkeit: Ich darf ab nächster Woche Freitag mit dem Radfahren beginnen! Dann geht der Wiederaufbau der Ausdauer richtig los. Ich bin gespannt zu sehen, wie mein Körper auf die erste Radfahrt reagieren wird. Und vor allem, was mein Knie zu der Bewegung beim Treten der Pedale sagt.

Krafttraining

Diese Woche habe ich das erste Krafttraining absolviert. Mit der Orthese darf ich nun Sit-Ups, Planks und Liegestütze machen. Das dürfte ich eigentlich schon seit letzter Woche, bisher hatte sich meine Motivation in Grenzen gehalten. Am Dienstag war es dann aber endlich soweit, und ich habe mich nach einem Spaziergang an der ersten Trainingseinheit versucht.

Diese hat 10 Minuten gedauert und bestand aus 3x 1 Minute Planks, einige Sit-Ups (war zu faul zum Zählen) und Liegestütze (ebenfalls nicht mitgezählt), welche ich aber auf den Knien absolvierte.

Am nächsten Tag wunderte ich mich noch darüber, dass sich der Muskelkater in Grenzen hielt. Doch der Schein trügte, und ich konnte mich tags darauf kaum bewegen, ohne dass sich ein Muskel beschwerte.

Bald werden wir wohl auch mit gezielten Aufbauübungen für das rechte Bein starten. Der Physio erwähnte etwas von einbeinigen Kniebeugen, da freue ich mich ja riesig darauf… Mal sehen, welche Übungen sonst noch auf den Plan kommen und wie lange es dauern wird, das rechte Bein wieder komplett auf Vordermann zu bekommen.


Ich freue mich darauf, die Entwicklungen der kommenden Wochen zu beobachten und euch daran teilhaben zu lassen. Es ist wirklich ein schönes Gefühl, wenn es wieder bergauf geht und man sich Stück für Stück in seine alte Form zurück arbeiten kann.

Laufge(h)danken: Die einsame Birke

Viele von euch kennen es vielleicht: Man ist unterwegs und plötzlich schießen einem Gedanken in den Kopf, die einen nicht mehr loslassen. Im Laufen stellt einen das oft vor eine Zwickmühle: Stehenbleiben und den Gedanken festhalten oder weiterlaufen und hoffen, dass dieser wieder zurückkommt?
Viel zu oft entscheide ich mich dabei für die zweite Variante, doch damit soll jetzt Schluss sein. In dieser neuen Kategorie möchte ich Gedanken festhalten, die mich beim Laufen zum Gehen und aufschreiben gezwungen haben oder mir beim Spaziergang in den Kopf geschossen sind. Ich hoffe ihr habt Freude daran zu sehen, was dabei herauskommen kann, wenn man kurz innehält und versucht zu erfassen, was da in einem vorgeht.
Viel Spaß beim Lesen des ersten Textes, der eben beim Spazierengehen entstanden ist!


Und auf einmal standst du da in deiner vollen Erhabenheit. Ich bin vermutlich schon hunderte Male an dir vorbei gelaufen, habe duzende Fotos von dir geschossen und dennoch bist du mir nie richtig aufgefallen. Doch diesmal ist es anders. Dein Antlitz trifft mich wie ein Schlag und ich halte inne, komme langsam zum Stehen und versuche zu erfassen, was es ist, dass mich so an dir fesselt.


Reflexartig greife ich nach dem Handy, um deine Schönheit auf einem Bild festzuhalten, aber wir wissen beide, dass ein Foto dir nicht gerecht werden kann. Ich trete näher und sehe, dass du nicht immer alleine hier warst. Zwei Meter neben dir sind die Überreste eines Baumstumpfes die letzten Hinweise auf deinen Nachbarn, der dir wohl mindestens die letzten 50 Jahre Gesellschaft geleistet hat. „Deswegen strahlst du nun heller“, denke ich stumm, den Blick wieder auf dich gerichtet. Deine kleinen, rundlichen Blätter haben sich mittlerweile gelb gefärbt und einige deiner dünnen Äste hängen schlapp hinunter. Ob du deinem Freund bald folgen wirst? Ist es die Einsamkeit, die dich krank gemacht hat oder leitest du bereits den Herbst für uns ein?


Ich betrachte dich noch eine kurze Weile, ehe ich mich wieder in Bewegung setze, und schmunzle über den Gedanken, dass du mich schon jahrelang hier beobachtest, ich dich aber heute zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe. Ich bin froh, diesmal nicht einfach an dir und deiner rauen Schönheit vorbeigegangen zu sein. Hoffentlich bleibst du noch eine Weile hier, auch wenn du jetzt in Einsamkeit verweilen musst.