Veränderungen von Körper und Geist nach einer fünfwöchigen Ruhephase.
Bin das noch ich?
Wie zu erwarten war, hat das lange Herumliegen einige körperliche Folgen nach sich getragen.
Das sind die markantesten Auffälligkeiten, die ich an mir bemerkt habe:
- Muskelverlust
Das ist wohl die offensichtlichste und erwartbarste Veränderung, die ich in den letzten Wochen erlebt habe. Etwas überraschend war dennoch, dass sich dieser Verlust nicht nur auf das rechte Bein beschränkt hat, sondern auch weitere Körperregionen heimgesucht hat. Unter anderem sind mein linkes Bein und mein Bauch davon betroffen. - Gewicht
Anders, als man vielleicht denken würde, kann ich hier keine Zunahme, sondern eine Abnahme von fast zwei Kilo verzeichnen. Damit habe ich tatsächlich eher nicht gerechnet. - Körperfett
Doch um den vorherigen Punkt nicht als Tipp zum Gewichtsverlust dastehen zu lassen, kommt hier gleich die Schattenseite, die Punkt eins und zwei vereint. Durch den Abbau der schwereren Muskeln, konnte ich zwar eine Gewichtsabnahme verzeichnen, allerdings hat sich dadurch auch mein Körperfettanteil deutlich erhöht. Meine Waage erkennt diese Veränderung zwar leider nicht, ich bemerke es aber selbst, vor allem an meinem Bauch. - Rücken
Da ich ein Mensch bin, der aufgrund seines Jobs und der Veranlagung (bzw. der Faulheit, etwas dagegen zu tun) sehr stark zu Rückenschmerzen neigt, habe ich erwartet, dass mir diese die Wochen des Liegens zur Hölle machen würden. Überraschenderweise war das nicht der Fall und ich kann bis heute ohne Probleme sitzen und liegen. Dafür bin ich unglaublich dankbar, denn sonst wären die Wochen noch unerträglicher geworden.
Wer bin ich?
Neben den körperlichen Veränderungen, konnte ich auch einige psychische, beziehungsweise mentale, Entwicklungen wahrnehmen.
Es folgen die vier größten Änderungen, die ich durchlebt habe:
- Antriebslosigkeit
Da ich sonst ein Mensch bin, der sehr viel unterwegs ist und sich selten Ruhe gönnt, ist das eine der für mich unerwartetsten Veränderungen. In Woche eins übermannte mich noch eine grenzenlose Motivationsphase, in der ich einen 5.000 Wörter umfassenden Text für eine Ausschreibung geschrieben und diesen eingesendet habe. Ich habe Bücher bestellt und angefangen zu lesen. In meinen Vorstellungen wäre ich wohl die produktivste Verletzte der Welt geblieben.
Doch leider änderte sich dies relativ schnell, und ich verfiel ab Woche zwei in ein noch immer anhaltendes, lähmendes Koma der Motivationslosigkeit. Ich kann mich kaum noch aufraffen Dinge zu tun, habe keine Lust nach draußen zu gehen (obwohl ich das durchaus kann) und verbrenne meine Gehirnzellen vor allen Bildschirmen, die sich mir darbieten. Auch, wenn ich dieser Entwicklung durch lesen und schreiben entgegenwirke, fülle ich dennoch einen Großteil des Tages mit sinnlosem Glotzen und belanglosem Scrollen. Ich hoffe, dass ich diese Eigenschaften nach dem Überwinden der Verletzung wieder ablegen kann. Denn so will ich auf keinen Fall bleiben. - Belastungsgrenze
Mit der Zeit bemerkte ich, dass ich deutlich schneller erschöpft und am Rande meiner mentalen Belastungsgrenze angekommen war. Besonders, wenn Mal Besuch da war, stellte sich relativ schnell eine sich eilig leerende soziale Batterie als Problem heraus. Es fiel und fällt mir schwer mich zu unterhalten und mich auf Unterhaltungen zu konzentrieren.
Ich kann mir gut vorstellen, dass dies eine Folge der Reizarmut der letzten Wochen sein könnte. Dennoch hoffe ich, dass ich die Grenze der mentalen Erschöpfung bald wieder etwas nach oben setzen kann. - Druck und Stress
Bei all dem Negativen möchte man meinen, dass es hier nichts positives zu verzeichnen gibt. Glücklicherweise ist das nicht der Fall! Eine der für mich wichtigsten Entwicklungen der letzten Wochen war der zunehmende Abfall von Druck und Stress, dem ich sonst ausgesetzt bin. Egal ob von der Arbeit oder der selbst gesetzten Trainingsziele, war ich immer einem gewissen, durchaus hohen Stresslevel ausgesetzt. Es gab für mich selten Momente zum Verschnaufen und zur Ruhe kommen.
Da meine Verletzung mich nun dazu gezwungen hat, mich mit mir und meinem Alltag auseinanderzusetzen, konnte ich einige wichtige Erkenntnisse machen, die ich sonst vermutlich nie entdeckt hätte. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass ich mich dadurch persönlich weiterentwickeln kann und werde und bin froh über diese Gelegenheit zur Selbstfindung. - Dankbarkeit
Der letzte und ebenfalls wichtige Punkt ist die Dankbarkeit. Durch diesen harten Reset erkannte ich noch einmal mehr, wie viele Dinge ich eigentlich als gegeben hinnehme. Anstatt dankbar zu sein, erwische ich mich häufig dabei, wie ich mich über Kleinigkeiten aufrege und dabei das große Ganze aus den Augen verliere. Ich will in Zukunft auch die kleinen Erfolge feiern und dabei nie vergessen, wie glücklich ich mich schätzen kann all die Dinge zu tun, mit denen ich mein Leben größtenteils fülle. Es ist nicht selbstverständlich gesund zu sein und einen Körper zu haben, der einen bis an den Rand der Belastungsgrenzen und darüber hinaus unterstützt.
Fazit
Man kann sagen, dass mir die Verletzung vor allem mental extrem weitergeholfen hat. Ich hätte viele Erkenntnisse wohl nicht gemacht, wenn ich nicht fünf Wochen lang beinahe ausschließlich mit mir selbst beschäftigt gewesen wäre. Dadurch entstand unter anderem auch der sportliche Plan für nächstes Jahr, in den ich euch bald einweihen möchte.
Es ist zwar möglich, negativen Situationen etwas positives abzugewinnen, dennoch möchte ich das ganze nicht romantisieren und ich bin froh, wenn ich dieses Kapitel endlich hinter mir lassen kann. Hoffentlich hilft mir das alles weiter und ich kann gestärkt aus der Verletzung hervorgehen.
Vielen Dank fürs Lesen!